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It’s a womans world: Gründen in Deutschland.

Ein Gastbeitrag von Christin Siegemund

Die Zahlen sind erschreckend. Jedes Mal, wenn sie mir über den Weg laufen, schüttele ich den Kopf und frage mich, wie das sein kann. Denn: schaue ich mich um in meinem Umfeld, dann ist dieses in gar keinem Fall repräsentativ für das, was in Deutschland anscheinend traurige Wahrheit ist. Aber woran liegt es, dass nur 15% aller Gründer in der Bundesrepublik weiblich sind? Was sind die Vorteile und was die Nachteile einer Unternehmensgründung als Frau? Und was würde ich anders machen mit der heutigen Erfahrung bei der ersten Gründung damals mit Anfang 20 und heute mit Ende 30?

Wir fangen mal hinten an: alles, was ich mir bei meiner ersten Gründung vor 15 Jahren gewünscht hätte, ist die Erfahrung und die Selbstsicherheit von heute, die Weitsicht und das Vertrauen auf mein Bauchgefühl. Da ich nicht weiß, wie es ist, als Mann zu gründen, sondern lediglich als Partnerin eines Gründers beobachten kann, glaube ich: der einzige Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Gründern liegt darin, dass sich Männer weniger Gedanken um das „Was-wäre-wenn“ machen. Was vielleicht in der Natur der Sache liegt, vielleicht stehen wir Frauen uns manchmal aber auch einfach selbst im Weg. Mit der Erfahrung von zwei Gründungen kann ich heute sagen: Frauen, traut euch! Wenn ihr eine Idee habt: go for it! Schreibt einen Businessplan, redet darüber, vernetzt euch mit anderen Frauen und Männern und behaltet euer Ziel im Auge. Dabei ist es gar nicht wichtig, ob ihr jung oder alt seid, ob ihr genügend Expertise habt oder einfach nur eine Idee. Knowhow lässt sich einkaufen, fehlende Erfahrung über Mentoren ausgleichen und für familiäre Verpflichtungen, wie zum Beispiel Kinderbetreuung, lässt sich eine Lösung finden. Solange ihr den Mut habt. Der erste Schritt ist der Schwerste, das habe ich bei meinen Kindern gesehen und sehe es heute auch in meinem Ballettkurs, den ich wöchentlich besuche: wer 3 Sekunden mit angewinkeltem Bein auf nur einem halben Fuß stehen kann, der kann es auch 20 Sekunden. Die schwersten Sekunden sind die ersten drei.

Gründen als Familienmutter.

Mein Unternehmen ist nicht über Nacht entstanden. Ich arbeite kontinuierlich seit Mai 2018 an meiner Idee, habe Allianzen gebildet, saß gefühlt ein Jahr in Cafés, um zu netzwerken und die Vision in die Welt zu tragen, um Feedback zu erhalten und um sie weiterzuentwickeln. Ich habe mich außerdem getraut, um Hilfe zu fragen, hatte mit Sicherheit auch Glück, zum richtigen Zeitpunkt an die richtigen Menschen zu geraten. Aber ich glaube nicht an Zufälle, sondern vielmehr daran, dass sich Möglichkeiten ergeben, wenn man sie fokussiert und das Ziel vor Augen hat.

Meine zweite Gründung habe ich mit Mitte 30 als Mutter zweier Kleinkinder hingelegt mit dem Unternehmen, das ich gerade aufbaue. Dabei war diese Gründung komplett anders als die erste: statt eine Idee auszubauen mit sehr überschaubarem Risiko, habe ich diesmal einen Bedarf erkannt und mich richtig was getraut. Inklusive Bankkredit, Mietvertrag für eine Dekade, Mitarbeitern und allem, was dazu gehört. Wichtige Entscheidungen getroffen und an meiner Idee gearbeitet habe ich aber diesmal nicht konzentriert von 9 bis 19 Uhr, sondern überall: auf Spielplätzen, in der zweiten Schicht wenn die Kinder abends im Bett lagen, unterwegs. Und natürlich lief nicht immer alles glatt, aber auch das gehört dazu. Es zeigt sich mal wieder der Spruch „Es braucht ein Dorf“. Das gilt für Kinder und Unternehmen gleichermaßen: Eine Kita, Väter, die sich genauso und selbstverständlich um die Kinder und das gemeinsame Leben kümmern wie Mütter, die Unterstützung von Omas, Opas oder einem Babysitter. Ratgeber, Freunde, (ehemalige) Kollegen, Branchenprofis. All die darf man fragen, wenn man Hilfe braucht, man muss sie nur aussprechen.

Von Zeit zu Zeit reiße ich immer mal wieder eine Mauer nieder: ich spreche Personen an, die ich auf einen Sockel gehoben habe.

Das wirkt Wunder – probiert es bitte aus. Kontakte machen Kontakte. Ich habe sehr lange gebraucht, bis ich den Satz meines Vaters verstanden habe: „Kontakte schaden nur dem, der keine hat.“ Das hat nichts mit Vetternwirtschaft oder Machenschaften zu tun, sondern manchmal einfach nur mit Menschlichkeit. Also, liebe Frauen: traut euch aus eurer Komfortzone heraus, vernetzt euch, glaubt an euch und eure Idee. Ihr seid Meisterinnen im Multitasking, meistens viel emphatischer als Männer. Flexibilität und Effizienz liegen euch in den Genen. Ihr schafft so viel, warum dann nicht auch eine erfolgreiche Gründung! Sucht euch euer Dorf! Dann kann nichts mehr schief gehen, denn: Mut wird immer belohnt.

Über die Autorin

Christin Siegemund, 38, ist eine Hamburger Deern, wie auch ihr gleichnamiger Blog, den sie 2013 aus einer Laune heraus gründete. Und ohne den es ihr heutiges Projekt gar nicht geben würde: Anfangs nur über Food Startups geschrieben, baut sie aktuell in Hamburg einen ganzen Coworking Space für Food Startups, inklusive Küchen, Popup Restaurant, Eventspace, Fotostudio, Accelerator Programm und Food-Werbeagentur. Geplante Eröffnung: Q2/2020.

www.foodlab.hamburg
www.foodapartment.com
www.hamburgerdeernblog.com

Karriereplaner - Ausgabe: SoSe 2020